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Montag, 17 Februar 2020 17:51

Verantwortungsgemeinschaft: Menschen unterstützen, die füreinander sorgen und familiär miteinander umgehen

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Solidarisches Handeln, Verantwortung füreinander übernehmen ist der Kitt einer Gesellschaft. Das fängt in der Familie an, wird dort gelernt, von ihr erwartet aber nicht immer geleistet. Wer aber übernimmt Verantwortung, wenn die Familie - aus welchen Gründen auch immer - ausfällt? - Immer öfter der Staat, der deswegen immer mehr zum Wohlfahrtsstaat mutiert.

Staatliche Hilfe ist anonym, bürokratisch, formell und teuer. Es ist eine zentrale gesellschaftliche Frage: Wie kann man auf Grund der gegebenen Altersstruktur und der Individualisierung unbürokratisch schnell Verantwortung sichern und "neu verteilen"?

Der Interessenverband Unterhalt und Familienrecht (ISUV) begrüßt den Antrag der FDP eine Verantwortungsgemeinschaft im BGB zu verankern. "Es geht darum, das Familienrecht an die Bedürfnisse einer individuell ausgerichteten Gesellschaft anzupassen. Es geht ganz praktisch darum, Lebensformen als gleichberechtigt anzuerkennen, die partnerschaftliche Leistungen erbringen, die für den Sozialstaat wichtig sind. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass die Verantwortungsgemeinschaft von vielen Menschen abgeschlossen werden würde, wenn es nur die Möglichkeit gäbe.", stellt der ISUV-Vorsitzende Rechtsanwalt Klaus Zimmer fest.

Die soziale Wirklichkeit zeigt, Menschen möchten sich nicht in ein familienrechtliches Korsett pressen lassen, sie sind aber durchaus bereit füreinander Verantwortung zu übernehmen. "Es geht um Situationen im Leben, in denen Menschen vielleicht keine nahen Verwandten mehr haben oder keinen Bezug zu ihnen, aber eben zu Menschen in ihrer Umgebung. Es geht um Auskunftsrechte, Pflege, finanzielle Absicherungen, bis hin zu einer Form von gemeinsamen Wirtschaften und Zugewinngemeinschaft", umschreibt der familienpolitische Sprecher der FDP, Daniel Föst, die Zielsetzung.

Das Familienrecht kennt nur verwandt oder verheiratet. Soziale Wirklichkeit ist aber, immer mehr Menschen leben allein - und vereinsamen. Umso wichtiger sind Freundschaften und Nachbarschaften. Daher fordert Föst zurecht: "Der Staat sollte Menschen ermutigen, auch außerhalb von Ehe und Verwandtschaft füreinander Verantwortung zu übernehmen."

Nach den Vorstellungen der FDP soll eine Verantwortungsgemeinschaft unbürokratisch begründet und beendet werden können. Mit ihr werden Rechte und Pflichten begründet. Dies kann je nach individueller Situation stufenweise erfolgen. Das fängt an mit gegenseitigen Auskunfts- und Vertretungsrechten der Partner, beispielsweise im Krankheitsfall durch die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht. Die Rechte und Pflichten können erweitert werden zu gegenseitiger Pflege und Fürsorge. Je intensiver die Pflege und Fürsorge ist, umso mehr wird der Staat entlastet. Entsprechend ist der Staat gefordert, die Verantwortungsgemeinschaft durch Steuerfreibeträge, Pflegegeld und Freibeträge bei der Erbschafts- und Schenkungssteuer zu fördern.

Die Idee einer Verantwortungsgemeinschaft ist nicht einfach Zukunftsmusik. Sie wird und wurde auch in anderen europäischen Ländern verfolgt. Vorbildlich ist Frankreich, das einen "zivilen Solidaritätspakt" (Pacs) 1999 einführte, der Rechte und Pflichten der Partner festlegt, aber großen individuellen Spielraum zur Ausgestaltung lässt. In Frankreich ist der Pacs ein Erfolgsmodell. Der Pakt wird geschlossen um "das gemeinsame Leben zu organisieren". Er sichert den "Pacsern" gemeinsame steuerliche Veranlagung, vermögens- und erbrechtliche Regelungen sowie weitgehend sozialrechtliche Gleichstellung zu.

Um das Erfolgsmodell nicht zu "gefährden", werden durch den Pacs keine Unterhaltsansprüche begründet. "Menschen wollen sich möglichst wenig vom Staat ins Privatleben reinreden lassen. Wenn der Pakt gekündigt wird, wollen die Partner ein kostspieliges familienrechtliches Gezerre und Gezeter vor dem Familiengericht vermeiden. Das Scheidungsrecht hat sich einfach nach 44 Jahren ausgereizt. Es wirkt auf Menschen, die rational an eine Partnerschaft herangehen, abschreckend", stellt ISUV-Pressesprecher Josef Linsler